Folge 18: Imposter – Der machtvolle Begleiter
„Hoffentlich merkt keiner, dass ich das gar nicht kann.“ Kennst du diesen Gedanken?
Das sog. Imposter-Syndrom bezeichnet erfolgreiche Menschen, die daran zweifeln, gut zu sein. Sie haben Angst, zu versagen und am Ende als Betrüger oder Hochstapler entlarvt zu werden, obwohl sie es nicht sind. Es ist ein weit verbreitetes Phänomen – mit zum Teil gravierenden Folgen.
Prominenten Beispiele sind Michelle Obama, aber auch Albert Einstein und Jodie Foster. Sie alle leiden oder litten unter Selbstzweifeln.
Entdeckt wurde das Phänomen 1978 von den amerikanischen Psychologinnen Pauline Clarence und Suzanne Imes. Sie hielten es damals für ein vorwiegend weibliches Problem.
Das ist mittlerweile widerlegt. Sonja Rohrmann, Dekanin und Professorin für Psychologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main hat hierzu Studien durchgeführt und ein Buch geschrieben: „Wenn große Leistungen zu großen Selbstzweifeln führen können“.
Laut einer Studie von Sonja Rohrmann hat jede zweite Führungskraft Erfahrungen mit dem Imposter-Syndrom. Das finde ich bemerkenswert!
Das gilt für alle Berufsfelder und Kulturen, auch wenn es in leistungs- und wettbewerbsorientierten Gesellschaften und Branchen stärker ausgeprägt ist.
Menschen, die von ständigen Selbstzweifeln bestimmt sind, tendieren u.a. zu Perfektionismus, Prokrastination, blinden Aktionismus und Mikromanagement. Und es kann gravierende gesundheitliche Folgen haben.
Auch ich kenne diese Gedanken. In meinem alten Job als Personalleiterin bei KPMG tauchten die schon einmal häufiger auf. In jedem Fall ganz verlässlich zur Tantiemerunde. Einmal im Jahr war ich für die Organisation der Partnertantiemerunde, also der Festsetzung der Boni zuständig.
Ausgestattet mit riesigen Excel-Listen voll mit KPIs musste ich dann in die Vorstandsitzung. Da stand ich nun – als einzige Frau in der Männerrunde.
Und dann war sie da: die Angst, entlarvt zu werden. Dass die Herren Vorstände bemerken würden, dass ich mit Zahlen nicht so gut kann und ich mich blamieren würde.
Reden, verhandeln sind meine Stärken und in juristischen Fragestellungen fühlte ich mich fit. Doch Zahlen waren noch nie mein Ding.
Und auch in vielen meiner Coachings begegnet er mir: der Imposter. Er ist ein fieser, machtvoller Begleiter. Gerade bei sehr erfolgreichen, unter Druck arbeitenden Menschen.
In dieser Folge schauen wir gemeinsam auf die Fragen:
- Was passiert da eigentlich?
- Wie können wir damit umgehen?
- Wofür kann es auch nutzen?
Was passiert da eigentlich? Wenn Menschen vom Imposter-Syndrom geplagt werden, haben sie massive Selbstzweifel. Sie stören sich damit selbst.
Timothy Gallwey, der bekannte Coach (er wird zum Teil auch „godfather of coaching“ genannt) hat dafür eine eindrucksvolle Formel aufgestellt:
Leistung = Potenzial – Störung
(vgl. u.a. Timothy Gallwey, u.a. “Tennis, das innere Spiel”).
Mit anderen Worten leisten wir nicht zu wenig, sondern wir stören uns und minimieren damit unseren Output. Diesem Selbstzweifel liegt ein Netz an Glaubenssätzen zugrunde, die wir uns immer wiederholen. Eine machtvolle Parallelwelt.
In der aktuellen Lage – während der Corona-Pandemie wird dieses Phänomen noch verstärkt. In Zeiten der Unsicherheiten sucht der Mensch nach Bestätigung, nach Zugehörigkeit. Aktuell leben die meisten von uns in digitaler Distanz. Selbstverständliche Gesten im Alltag und Begegnungen mit Kollegen fallen weg. Damit steigt bei vielen die Verunsicherung und der Imposter hat freies Feld.
Eine aktuelle Studie von Asana, einer führende Work-Management-Plattform für Teams, hat gezeigt, dass 62 % der befragten Mitarbeiter in 2020 vom Imposter-Syndrom betroffen waren.
Jährlicher Bericht zur Anatomie der Arbeit
Woher kommen diese negativen Glaubenssätze, mit denen wir uns selbst stören? Woher kommt diese machtvolle Parallelwelt?
In der Regel wird diese bereits in unserer Kindheit geprägt. Erfahrungen, aber auch Aussprüche von Eltern, Lehrern oder Freunden können markante Muster bei uns hinterlassen. Wenn wir später als Erwachsene immer wieder in diese Muster einsteigen, versetzen wir uns innerlich ins Kind-Ich.
Zu dem Thema Mentale Selbstsabotage hat Dr. Petra Bock mehrere Bücher geschrieben, in denen sie von 7 Störungsfällen – sog. Mindfucks spricht.
Bücher: u.a. Dr. Petra Bock, „Mindfuck, Job“
Wie können wir mit dem Imposter umgehen?
Der erste Schritt ist die Bewusstheit. Mach dir bewusst, dass „es dich wieder denkt“. Und erkenne die Trigger, die das auslösen: wer, wann, was?
Schreibt dir einfach einmal alle Sätze auf, die du dann denkst. Alle verrückten Sätze.
Und versuche in einer solchen kritischen Situation innerlich ein Stopp-Schild zu setzen. Atme tief durch und versuche, die Situation als Erwachsene/r zu betrachten.
So fies der Imposter auch ist, er hat auch sein Gutes. So zumindest sehen Förster & Kreutz das in Ihrem Blog-Beitrag.
Sie meinen, er halte uns auf Zehenspitzen, sei ein Garant für Qualität und letztlich auch ein Zeichen für Wachstum.
Eins ist sicher: du bist damit nicht allein. Jeder Mensch ist bezüglich irgendeines Themas unsicher, auch wenn er es nicht mit dir teilt.
Zur Vertiefung höre auch Folge 4 (Von der Fremdbestimmung in mehr Selbstbestimmung) und Folge 5 (Die innere Haltung zählt, Interview mit Hede Kimme).